#42: "Aus der Zeit. Eine Spurensuche": das aussergewöhnliche Leben von Lili Glarner

Shownotes

Nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 gerät auch die junge Aargauerin Lili Glarner in Berlin in die Fänge der berüchtigten Gestapo. Sie soll für den kommunistischen Widerstand Militäranlagen ausspioniert haben. Während ihrer 15-monatigen Haft schreibt sie Briefe in die Heimat, ihr Vater Paul Glarner setzt derweil alle Hebel in Bewegung, um seine Tochter freizubekommen.

Mit seinem Stück "Aus der Zeit. Eine Spurensuche" bringt Peter Jakob Kelting das bewegte Leben von Lili Glarner auf die Theaterbühne. Im Podcast erzählt er anhand von bisher unveröffentlichten Archivfunden im In- und Ausland Lili Glarners Leben und wir sprechen mit ihm über die Herausforderungen, mit historischen Quellen ein Bühnenstück zu gestalten. Mit Auszügen aus den Originaldokumenten, gelesen von Schauspielerin Nathalie Imboden.

Wir wünschen euch viel Vergnügen Manuel und Simon

Spieldaten "Aus der Zeit. Eine Spurensuche":

  1. Dezember 2025, Matinée mit Dramaturg und Autor Peter Jakob Kelting und Gästen, Theater Tuchlaube, Aarau

  2. Dezember 2025, Premiere, Theater Tuchlaube, Aarau 17./ 18. Dezember 2025, Bühne Aarau, Theater Tuchlaube, Aarau ->Tickets unter www.buehne-aarau.ch

  3. Februar und 1. März 2026, Theater im Kornhaus (ThiK), Baden ->Tickets unter www.thik.ch

21./22./23. Mai 2026, Tojo, Reitschule Bern, Bern ->https://tojo.ch/

Feedback, Anmerkungen, Lob oder Richtigstellungen nehmen wir gerne entgegen unter geschichten.aus.aarau@gmail.com oder auf Instagram @geschichtenausaaaraupodcast.

Literaturhinweis: Folgen

Transkript anzeigen

00:00:00: Ihr lasst die Geschichten aus Aarau.

00:00:02: Der Podcast mit Aarauer-Blitzkopf-Geschichten.

00:00:14: Hallo Simon.

00:00:16: Hallo Manuel.

00:00:17: Wir sind zwei Historiker und wir erzählen uns jeden Monat eine Geschichte aus der Geschichte von Aarau.

00:00:24: Und wir gehen sehr oft auch über Grenzen von Aarau aus und erzählen uns dieses und jenes, was man so herausfindet über eine Stadt und was es mit der Welt zu tun hat.

00:00:34: Historisch ist nicht nur unser Podcast, sondern auch die Podcast-Folge.

00:00:40: Wir haben das erste Mal zwei Gäste bei uns im Studio und es wird etwas anders sein, als dass wir uns einfach nur ein Geschichte erzählen, sondern wir werden ein richtiges Gespräch haben.

00:00:52: Richtig und die Gäste, die unsere Hörer Ihnen vielleicht ja auch schon kennen, möchte ich schnell vorstellen.

00:01:00: Das ist... Zum einen Peter Jakob Kelting.

00:01:04: Hallo, grüßt euch.

00:01:05: Hallo Peter, schön bist du da.

00:01:08: Und zum anderen Natali Imboden.

00:01:10: Hallo miteinander.

00:01:12: Danke, dass du da bist.

00:01:14: Kulturell interessierte Publikum in Aar sind möglicherweise beide ein Begriff.

00:01:19: Peter ist Dramaturk, hat selber aber ursprünglich Geschichte studiert, Soziologie, Literaturwissenschaften und Linguistik.

00:01:29: Einerseits kommt er von unserem Fach.

00:01:33: Andererseits aber dann Karriere, der Bühne gewidmet, kann man sagen.

00:01:38: Genau, ja.

00:01:38: Und in Aarau, durchum besonders bekannt, weil er Leiter des Theater-Tuchlaubens war, von des Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr-

00:01:58: und Jahr- und Jahr- und Jahr- und Jahr-.

00:01:59: Also, ich bin im Baden geboren und komme aus der Region Lenzburg.

00:02:03: Okay,

00:02:04: danke.

00:02:05: Sie hat auch schon auf den Theater durchglauben, in verschiedenen Rollen gespielt.

00:02:10: Genau, ich habe nach der Kantie ein Jahr Praktikum gemacht heute und dann so Peter kennen gelernt.

00:02:16: Ihr beide seid da, weil es heute nicht nur um eine Geschichte geht, sondern eben auch die Umsetzung eines historischen Stoffes.

00:02:24: Der kommt am sechzehnten Dezember-Zwenz-feufer-Zwenz auf die Bühne im Theater durchglauben.

00:02:31: Das heisst, alle, die von diesem Podcast animiert werden, sich das Stück anzuschauen, unbedingt noch die Hicke zu sichern.

00:02:39: Ja, das ist notwendig, genau.

00:02:44: Damit unsere Hörerinnen schon einen Eindruck haben, um was es in der heutigen Geschichte gehen wird, die uns vor allem Peter von seinen Rösscherchen erzählt wird, will ich schnell den Klappentext vorlesen, den man auf der Homepage vom Theater durchleben findet.

00:03:02: In diesem Stück aus der Zeit geht es um Folgendes.

00:03:07: Berlin im Sommer neunzehntreiundreißig.

00:03:10: Die Nationalsozialisten seit Januar an der Macht verfolgen ihre politischen Gegner mit unerbittlicher Härte.

00:03:19: Inmitten dieses Chaos nimmt die berüchtigte Gestapo die junge Aargauerin Lily Glarner fest.

00:03:27: Sie soll für eine kommunistische Widerstandszelle deutsche Militäranlagen ausspioniert haben.

00:03:33: Während sie aus der fünfzehnmonatigen Untersuchungshaft zunehmend verzweifelte Briefe an die Mutter in Wilde geschrieben, setzt ihr Vater Paul Glarner alle offiziellen und inoffiziellen Hebel in Bewegung, um ihre Freilassung zu erwirken.

00:03:53: Fantastische Stoff, die sehr viel verspricht.

00:03:58: Ich glaube, die erste Frage, Peter, wie kommt man an so einen Stoff an?

00:04:03: Also es ist so, dass ich als Dramaturg und natürlich auch als Zeitgenosse mich immer dafür interessiert habe, was in einer Stadt passiert, was eine Stadt ausmacht, was eine Region ausmacht, in der ich arbeite, in der ich mit den Leuten kommuniziere.

00:04:22: Und so bin ich auch mein Stadtmuseum geraten.

00:04:25: Und im Stadtmuseum gibt es einen sehr eindrücklichen Raum mit lauter Handpuppen.

00:04:30: Selbstgeschnitten Handpuppen von Helmut Schokke.

00:04:33: Und die habe ich mir angeschaut.

00:04:35: Super.

00:04:36: Die sehen ja toll aus.

00:04:36: Und vor allem sind das nicht nur Kasperli-Puppen, sondern es sind auch politische Allegorien.

00:04:42: Also, das heißt, sie gehen über, über reinen Kinder, Theater, Theaterle hinaus.

00:04:46: Und da habe ich mich ein bisschen dafür interessiert.

00:04:48: Und dann kam eben die Rede auch auf seine Frau Lili.

00:04:54: Und über die gab es relativ wenig Material, nur einmal einen Artikel in der AZ im Internet gefunden und da stand drin, die sei in Deutschland inhaftiert gewesen.

00:05:07: Und das hat mich als Deutschen unschwer zu erkennen, dass ich Deutscher bin.

00:05:12: Natürlich sehr interessiert, einerseits sozusagen ist das eine Geschichte aus der Region, aber andererseits hat das viel mit dem zu tun, mit dem ich mich immer wieder beschäftigt habe, nämlich mit der Frage, wie konnte es zum Nationalsozialismus kommen, wie hat er funktioniert, welche Schuld haben wir Deutschen auch auf uns geladen, das muss man damit auch immer umgehen.

00:05:35: Und diese beiden Dinge sind da zusammengekommen.

00:05:37: Und dann habe ich angefangen zu recherchieren und habe auch Kontakt aufgenommen zu den Kindern, also zu den Töchtern von Lily Glarner, die mittlerweile auch so zwischen achtzig und neunzig sind.

00:05:50: Und die haben mir dann erzählt von Material, dass es gibt noch im Staatsarchiv in der Enfelder Straße.

00:05:59: Dann habe ich mir das angeschaut und da war an.

00:06:01: Und das hat mich total getriggert.

00:06:04: Plustik gemacht, damit umzugehen.

00:06:08: Dreiundzwanzig Briefe gefunden.

00:06:09: Handschriftliche Briefe, die die Liliglana geschrieben hat in der Zeit, in der sie inhaftiert war, in Berlin.

00:06:20: Und so habe ich dann angefangen sozusagen weiter zu forschen.

00:06:24: Dann gibt es ein ganzes Dossier über die Liliglana im Bundesarchiv.

00:06:29: Und es gibt ein Dossier oder die Gerichtsakt.

00:06:34: über den Prozess, der gegen sie und ihren damaligen Lebensgefährten Elidotil angestrengt worden ist, in der Jahr nineteen dreieunddreißig, vierunddreißig.

00:06:44: Und so hat sich sozusagen wie eins zum anderen ergeben.

00:06:46: Also es wurde, ich habe es so ein bisschen an einem Faden gezogen und es wurde immer mehr und mehr und mehr und mehr Material.

00:06:54: Das Entscheidende war aber, ich wusste zunächst nicht, was man mit diesen Briefen, die sind wahnsinnig spannend, also wir hören vielleicht gleich auch mal rein.

00:07:03: in die Briefe, was man damit anfängt.

00:07:05: Ich bin dann eben gekommen auf das Material aus dem Bundesarchiv, in dem die Anstrengungen des Vaters Paul Glarner aus Willdeck dokumentiert sind, der versucht hat, seine Tochter frei zu kriegen.

00:07:22: Und das ist ein komplett anderes Material.

00:07:26: Man hat auf der einen Seite hat man diese handschriftlichen Briefe, die privaten Briefe, zu denen ich gleich nochmal was sagen kann.

00:07:33: Und auf der anderen Seite die Dokumente, die das Diplomaten Deutsch gewissermaßen, also das bürokratische Sprache, mit dem man versucht sozusagen einen Einzelschicksal zu beschreiben.

00:07:44: Und diese beiden Textsorten, sage ich mal, diese beiden Formen von Dokumenten stehen in einer ziemlichen Reibung zueinander.

00:07:52: Sie erzeugen eine bestimmte Wärme, wenn man sie sozusagen wie im Zeitablauf liest.

00:07:59: So, und daraus ist eigentlich sozusagen die Idee entstanden, Nur auf der Basis der Dokumente, also neunzig Prozent des Abends, werden die Dokumente sein, die wir gefunden haben, ein Theaterabend zu machen.

00:08:11: Und das ist in diesem Sinn ja historische Forschung auf der Bühne, weil, wie du gesagt hast, ich bin einmal noch zu schauen, weil der Name Lilly Glarner hat mir nichts gesagt, Manuel, ich glaube.

00:08:23: Nein, also gerade im Vergleich zum Namen Chocke, wo in Aarau ja ganz viele Generationen von Chocke es irgendwie prägendere Alle gespielt haben.

00:08:32: Und gerade Frauen, die den Namen tragen, kennt man sonst nicht mega fest so in den Analen von Aarau.

00:08:39: Das ist sicher ein spannender Punkt, auch mal so jemand, also eine Frau zu hören, gerade aus dieser Zeit auch.

00:08:46: Und ja, mich würde jetzt schon wundern, wie klingt dann so ein Dokument?

00:08:52: Die Natalie wird jetzt mal einen Auszug lesen aus einem Brief.

00:08:57: Indem es, um den Sie sozusagen Ihren Standpunkt darlegt gegenüber der Mutter, wo auch ein bisschen deutlich wird, was für eine Charakter Sie hatte.

00:09:10: Berlin Nordwest-Vierzig, den vierzehnten November neunzehntreunddreißig.

00:09:16: Liebe Mama, herzlichen Dank für deinen Brief um Fünften sowie nochmals für den Besuch von Papa und Griedli.

00:09:23: Beantworten kann ich deinen Brief auf vier Seiten nicht und außerdem habe ich immer Hemmungen, weil noch ein Dritter die Zensur denselben mitliest.

00:09:32: Beim Verstehen handelt es sich ja nicht nur um politische Ansichten, sondern um weltanschauliche Differenzen, sehr hochtrabend.

00:09:42: Du schreibst, ihr habt versucht, meine Ideen auf gesundere Wege zu leiten.

00:09:46: Das ist ein ziemlich nutzloses Geschäft, ob Mitliebe oder ohne.

00:09:52: Es scheint, dass es verschiedene Punkte gibt, von deren jeden aus man ein in sich geschlossenes Weltbild haben kann, von denen jedes dem anderen gleichwertig ist, nicht mehr oder weniger gesund.

00:10:06: Welches aber das Richtige ist in seiner Zeit?

00:10:09: Darüber entscheiden nicht Menschen, ihr nicht und ich nicht und auch nicht die, die sich deshalb gegenseitig totschlagen.

00:10:17: Wenn ich nun von einem anderen Punkt die Welt ansehe als ihr, weil ich anders veranlagt bin, anderes innerlich und äußerlich erlebt habe als ihr, dann ist mein Weltbild, meine Weltanschauung von der Euren verschieden, eventuell sogar genau entgegengesetzt.

00:10:36: Es ist zwecklos, Bekehrungsversuche zu machen.

00:10:39: Herzliche Grüße an alle, Lilly.

00:10:44: Vielleicht kommen wir da, also an diesem Punkt auch schon auf sozusagen ihre Geschichte.

00:10:48: Und es wird ja sehr deutlich, sie hat eine andere Weltanschauung als ihre Eltern.

00:10:53: Das war auch ein heftiger Konflikt.

00:10:57: Leliglana ist in Wildek, wie gesagt, der Vater war Arzt.

00:11:04: Dort Hausarzt, er war dann später auch Präsident der Argauer Ärztegesellschaft, also sozusagen ein anerkanter Mediziner.

00:11:14: Und sie ist neunzehn-acht geboren, das älteste von vier Kindern und wollte eigentlich Medizin studieren.

00:11:22: Das ist etwa eine Information, die wir jetzt nicht aus den Dokumenten haben, sondern tatsächlich von den Töchtern, also aus der Familie.

00:11:29: Sie wollte Medizin studieren.

00:11:31: Und ihr Vater hatte sie ausgeredet.

00:11:33: Er hat gesagt, du als Frau, das macht keinen Sinn, dass du als Ärztin praktizierst.

00:11:39: Du wirst keine Chance haben, eine Karriere zu machen.

00:11:42: Und außerdem, dein jüngerer Bruder Hans wird Arzt werden.

00:11:47: Und du nicht.

00:11:49: Daraufhin war so die Frage, was macht sie dann mit ihrem Leben?

00:11:52: Fakt ist, nach der Betz war sie an der alten Kantie, war dort Jahrgangsbeste, war wirklich hochintelligent.

00:12:00: Und die Frage, wohin mit den ganzen Talenten?

00:12:05: musisch-spegar, künstlerisch interessiert, wohin mit den Talenten?

00:12:08: und sie ist dann, also sich entschieden, Innenarchitektur zu studieren, und zwar in Frankfurt am Main.

00:12:15: Frankfurt am Main war... Zu dem Zeitpunkt, also Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre, eine der Hochburgen des Bauhauses.

00:12:23: Bauhaus, diese Architekturrichtung, die sozusagen Bauen und Wohnen sozusagen immer auch unter politischen Gesichtspunkten angeschaut hat, die vor allem gesagt hat, wir müssen für die arbeitende Bevölkerung sozusagen gute Wohnbedingungen schaffen und das hat sie dann sozusagen auch politisiert.

00:12:43: Gleichzeitig war der große Bankenkrach in Deutschland noch mal sehr viel stärker als in der Schweiz.

00:12:51: Riesenarbeitslosigkeit und die Perspektiven auch für die Studierenden waren eigentlich nicht gut.

00:12:59: Durch diese Erfahrung ist sie tatsächlich politisiert worden und ist dann aber in die Schweiz zurückgekommen und hat in Zürich an der Kunstgewerbsschule weiter studiert.

00:13:12: und ist dann in den Marxistischen Studentengruppen an der Universität Zürich eingetreten.

00:13:18: Ich wollte gerade sagen, dass der Widerstand oder die Differenz zum Elternhaus, aber auch sonst gesellschaftlich, ich nehme an, dass es von Anfang an um die politische Einstellung ging oder die Politisierung, im marxistische, sozialistische Milieu.

00:13:36: Ja, ich habe mich das natürlich gefragt.

00:13:39: Sie hat dann in Zürich, in dieser marxistischen Gruppe, hat sie dann ihren Freund kennengelernt, Eli Duttil.

00:13:46: Das ist ein niederländischer Studierender gewesen, eher ein Hallo-Dreh, würde ich jetzt mal von heute aus sagen.

00:13:53: Jemand, der das Leben sehr leicht und genommen hat und großer Energie.

00:13:58: positiv, optimistisch und sie war eher so bedächtig und intellektuell und vorsichtig.

00:14:04: Sie sind dann zusammengekommen und haben dann zusammengeschlossen, in die Sowjetunion auszuwandeln.

00:14:09: Da habe ich mich natürlich gefragt, die ganze Zeit, was motiviert jemanden sozusagen in die Sowjetunion auszuwandeln, haben da ein bisschen recherchiert, auch wie war der Geist der Zeit?

00:14:22: Weil Anfangs zwanziger Jahre ist die Bürgerkirik.

00:14:26: in der Sowjetunion, und das gehört mir in der Schweiz.

00:14:30: Gerade in Wildeck stelle ich mir vor, in einem konservativen Umfeld ist das schreckend gespengst.

00:14:41: Nicht nur konservatives und bürgerliches Umfeld, sondern die Familie hat auf dem Laue gut gewohnt.

00:14:46: Ein großer Villa mit einem riesigen Gartenpark ähnlich.

00:14:52: wirklich eine behütete Feudal.

00:14:59: Und da habe ich natürlich geforscht.

00:15:01: Und einerseits gab es auch in der Schweiz natürlich sehr starke Auseinandersetzungen zwischen einem sehr starken Rechtskonservativen, um nicht zu sagen Rechtsextremenflügel.

00:15:13: Frontisten, glaube ich, habt ihr schon mal in einem Podcast behandelt.

00:15:18: die Frontenbewegung und auf der anderen Seite natürlich dann sozusagen auch die Links bis Linksextreme Richtung, die sich aber in der Schweiz natürlich nicht mehr zu Hause fühlt oder Angst hatte, dass sozusagen mit Blick auf Deutschland, das Erstärken der Nazis, das so etwas auch in der Schweiz passiert.

00:15:38: Das ist das eine.

00:15:40: Und das andere ist, dass in den dreißiger Jahren auch eine ganze Reihe von Reiseberichten gerade von Frauen geschrieben worden sind, die in die Sowjetunion gefahren sind und nicht unkritisch, aber doch begeistert letztlich beschrieben haben, wie dort eine Gesellschaft aufgebaut wird, die klassenlos ist, eine Gesellschaft der Zukunft, eine Dynamik innerhalb der Gesellschaft.

00:16:07: Und ich bin mir sicher, dass Lilly Glarner zum Beispiel die Reisebericht von Lisa Bett-Thommen, der auch in unserem Stück vorkommen wird, lesen hat, wo sie genau beschreibt oder wo sie sehr eindrücklich beschreibt, dass das Verhältnis der Geschlechter eines der wesentlichen Reformprojekte der sowjetischen Gesellschaft ist.

00:16:26: Das heißt, dass Frauen genauso viel Geld verdienen und dass Frauen auch Karriere Möglichkeiten haben.

00:16:31: Und dass es für jemanden, der gehört hat, du kannst nicht Ärztin werden, weil... dass in der Schweizerischen Gesellschaft nicht möglich ist oder der eigene Vater sagt, dass das natürlich eine absolut auch persönliche verlockende Aussicht.

00:16:47: Genau.

00:16:48: Und da kommt dazu, dass gerade das Frauenstimmrecht in den End um zwanzigern Jahren, wo man in der Schweiz schon mal Thema war und ein Stimmrechtskampf geführt wurde, wo man das verloren hat.

00:17:03: Das kommt eh gerade zusammen, ein Stück weit.

00:17:06: Genau, und ich wollte auch noch anfügen, dass es ja gerade rettrospektiv, vielleicht etwas schwierig ist, sich die Sowjetunion als so klassellose Gesellschaft vorzustellen.

00:17:15: Aber gerade in dieser Zeit war das ja auch ein grosser Teil der Propaganda von diesem System.

00:17:21: Und ich glaube, gerade sie, die auch Erfahrung gehabt haben im deutschen Kontext, vielleicht die Aufbruchstimmung noch etwas mehr mitbekommen hat in der Schweiz.

00:17:30: Auf jeden Fall.

00:17:31: Und ich will das auch gar nicht schönreden.

00:17:33: Also auch zu Dalin war schon seit fünf Jahren an der Macht und hat seinen Terrorregime angefangen aufzubekommen.

00:17:41: Es gab die ersten Showprozesse.

00:17:43: Also da war überhaupt nicht schön und nett und kuschelig, sondern ging wirklich hart zur Sache.

00:17:50: Trotzdem muss es ja etwas gegeben haben, was sozusagen verlockend ist.

00:17:54: Und es sind doch eine ganze Reihe von Schweizern.

00:17:58: auch vor ihr und auch danach noch in dieser Wettung ausgewandert, Schweizer Kommunisten, die dort an dem Aufbau dieser Gesellschaft mitarbeiten wollten.

00:18:06: Und die sind zu einem Teil auch dann in den Mühlen des Stalinismus geraten, sind in den Gulags gestorben, sind zurückgekehrt, völlig desillusioniert in die Schweiz.

00:18:22: Nachher kann man sagen, Lidia hat auch ein bisschen Glück gehabt, dass es nicht geklappt hat.

00:18:26: Obwohl sie dann quasi auch noch in der Möhli von einem Gewaltsystem landet.

00:18:33: Ich finde

00:18:33: es auch noch spannend, dass sie als Person, die trotz ihrer Medizin-Karriere verwehrt wurde, trotzdem in einem intellektuellen Milieu sich vorerst bewegt und auch durchaus politisch ambitioniert ist, oder immerhin politisch interessiert, was gerade im Klischee von einer Frau entspricht in dieser Zeit.

00:18:56: Und ihr Leben nimmt aber dann doch noch andere wendigen.

00:19:01: Ja, genau.

00:19:02: Wahrscheinlich

00:19:02: sieht es nicht so aus, wie sie sich zu dieser Zeit vorgestellt hat.

00:19:05: Es gibt eine eindrückliche Schilderung des Vaters später in einem Brief, das schreibt, am einundzwanzigsten April, neunzehntelneinundreißig, also drei Monate nach der Machtergreifung der Nazis, auf dem Höhepunkt der Kommunistenverfolgung.

00:19:19: in Deutschland.

00:19:21: Also nach dem Reichstagsfront.

00:19:22: Kommen Lilly und ihr Freund in die Duttel nach Hause nach Wildeck und sagen, ja, wir reisen ab in die Sowjetunion.

00:19:30: Wir fahren morgen nach Berlin und im Übrigen werden wir heiraten, und zwar in Russland.

00:19:36: Und am nächsten Tag fahren sie nach Berlin.

00:19:38: Das war deswegen notwendig, weil die Sowjetunion keine Botschaft hatte in der Schweiz, in Bern.

00:19:43: Das heißt, man musste, um ein Visum zu bekommen, zunächst mal den Umweg über entweder Paris oder Berlin machen.

00:19:50: Sie sind dann über Berlin gegangen.

00:19:52: Und dann hat sich das verzögert mit den Visa aus nicht nachvollziehbaren, für mich nicht nachvollziehbaren Gründen.

00:19:58: Und sie haben dann mitgearbeitet in einer kommunistischen Widerstandsgruppe.

00:20:03: Eine kommunistische Widerstandszelle, eine kleine Zelle, sieben Personen, die daran involviert waren und haben versucht, zum militärische Geheimnis zu finden, zu fotografieren und sie dann innerhalb des kommunistischen Widerstands, der sich zu dem Zeitpunkt gerade dabei war zu organisieren, aber sehr schlecht organisiert war, weiterzugeben.

00:20:28: Ich weiß nicht, wie man das beschreiben soll, aber zu den Merkwürdigkeiten dieser Geschichte im Detail gehört, dass sie Quartier genommen haben bei einer Frau Kunz und in den Gerichtsakt, na ja, kommt dann raus.

00:20:43: Frau Kunz war glühende Nationalsozialistin.

00:20:47: Sie war in einem Nazi-Haushalt, gewissermaßen in einem möblierten Zimmer und Frau Kunz hat ihnen hinterher spioniert.

00:20:54: Man muss sagen, du weißt das aus der Gestapo.

00:20:58: Das weiß ich aus der Gerichtszeit.

00:21:00: Auch

00:21:00: nachgeforscht.

00:21:02: Das kommt mir sonst nicht einfach nach.

00:21:04: Genau.

00:21:05: Und daraufhin hat Frau Kunst dann was gefunden.

00:21:08: Aha, das sind ja doch Kommunisten.

00:21:10: Und ist dann zu einem befreundeten SA-Mann gegangen.

00:21:13: Und dann hat dieser befreundete SA-Mann ohne Anweisung der Polizei.

00:21:17: Die SA hatte da noch keine Polizeibefugnisse, gar nichts, sondern war einfach eine Organisation einer Partei.

00:21:25: Also privat.

00:21:27: Und die haben beschlossen, ja, jetzt machen wir mal eine Hausdurchsuchung oder Wohnungsdurchsuchung und haben dort das Material gefunden.

00:21:35: Und daraufhin ist diese Widerstandszelle aufgeflogen und die sieben sind verhaftet worden, eben Lilly und Ellie auch.

00:21:43: Und das war im Juli, und es gibt vier Wochen lang kein Zeugnis.

00:21:53: Das heißt, sie sind verhaftet worden.

00:21:55: Dazu muss man wissen, dass die

00:21:56: S.A.,

00:21:57: die Gefangenen, die sie gemacht haben, oder die Häftlingen, die sie gemacht haben, zunächst mal in das Polizeigefängnis Alexanderplatz gebraucht haben.

00:22:06: Alexanderplatz sagt jedem etwas, wenn man ihn kennt.

00:22:09: Und in diesem Polizeigefängnis, das war ein Foltergefängnis.

00:22:14: Es war ein Foltergefängnis, in dem sozusagen aus den Häftlingen, aus den Gefangenen rausgeprügelt wurde, die Informationen, die man von ihnen haben wollte.

00:22:26: Ob Lilly jetzt selber sozusagen gefoltert worden ist oder nicht, darüber gibt es keine Informationen.

00:22:32: Sie ist aber auf jeden Fall Zeugen davon geworden, etwas, was sie dann sehr geprägt hat.

00:22:39: Diese Erfahrung zu sehen, wie Menschen, die einfach eingeknastet werden, ohne Haftbefehl, ohne Anklage, ohne alles, ja, gefoltert werden, urstäblich.

00:22:52: Ich habe noch eine Frage, bevor du sicher noch mehr erzählst zu dieser Haftsituation.

00:22:58: Sie reist mit ihrem Partner über Berlin, um in die Sowjetunion zu kommen.

00:23:05: Das ist nur wegen dieser Visa-Zeit, die so lange braucht, dass sie dann dort so lange bleiben.

00:23:11: Oder findet sie dort dann einfach in dieser Zeit den Einstieg in den Widerstand und beschliesset dann, die Reise aufzuschieben, um in diesem Widerstand mitzuwirken?

00:23:23: Rauscht du das E-Shade-Zentrum?

00:23:24: Da kann ich nur Mutmaßen.

00:23:26: Ich kann nur Mutmaßen und eine der Mutmaßungen gedeihen, dass sie durchaus vorstellig geworden sind in der sowjetischen Botschafterwelt, dass dort natürlich auch KGB-Leute sitzen oder früher FSB.

00:23:39: Und ja, also gerne, finde ich gerne auf, aber vorher müsste ja noch mal ein bisschen für uns arbeiten und tätig sein.

00:23:52: Das kann sein.

00:23:53: Das ist eine Mutmaßung.

00:23:55: Die andere Mutmaßung ist die Sowjetunion oder auch die sowjetische Botschaft in Berlin war natürlich auch noch völlig unorganisiert in Bezug auf das, was in Deutschland gerade passiert, auf die sich etablierende Nazi macht.

00:24:10: Und kann durchaus sein, dass sie zunächst mal auch prüfen wollten, holen wir uns da nicht irgendeinen faulen Apfel nach Moskau.

00:24:16: Sozusagen erstmal prüfen wollten, wem geben wir jetzt das Visum.

00:24:21: Das sind zwei Optionen, für die es jetzt keine Belege in diesem Sinne gibt.

00:24:29: Dann kommt man jetzt wahrscheinlich zu dem Punkt, wo Sie Ihre Briefe geschrieben haben.

00:24:37: Sie ist dann nach diesem Monat, in dem Sie einfach verschwunden haben, Ihrem Partner auch, in das Untersuchungsgefängnis Moa Witt eingeliefert worden.

00:24:50: und dort in Einzelhaft.

00:24:52: Und hat von dort aus begonnen und diesen Schriftwechsel mit ihrer Mutter.

00:24:57: Also es hat gedauert, bis die Schweizer Gesellschaft gemerkt hat, da ist eine Landsfrau, eine Landsmännerinhaftiert, wegen eines politischen, also wegen einem Verrat von Staatsgeheimnissen in Deutschland.

00:25:11: Was machen wir?

00:25:13: Das hat ein bisschen gedauert, aber sie hatte inzwischen, der Vater hatte das mitgekriegt, ist informiert worden durch die Gesellschaft und da entstand jetzt sozusagen wie ein Briefwechsel.

00:25:22: Die Briefe der Mutter sind nicht erhalten, auf die sie reagiert hat, sondern wir haben tatsächlich nur ihre Briefe.

00:25:29: Was aber ganz interessant ist, weil sie sozusagen wie immer auch reagiert auf das, was die Mutter schreibt.

00:25:39: Und man dadurch sozusagen, wie ein sie sehr deutlich spürt auch in diesen Briefen.

00:25:44: Das ist das eine.

00:25:45: Und das zweite ist, was in den Briefen noch besonders ist, der Zensorsies liest mit.

00:25:51: Das haben wir ja gerade gehört, in dem was Natalie gelesen hat.

00:25:54: Das heißt, da sitzt jemand und liest diese Briefe und prüft sie darauf hin, ob da Dinge drinstehen, die seiner Meinung nach nicht drinstehen dürfen.

00:26:06: Das kommt in den Briefen auch öfter vor, dass sie sagt, ja, ich würde ja mehr über mich erzählen.

00:26:13: Ich kann nur nicht, weil dann kommen die Briefer nicht durch, dann kriege sie zurück und sie werden vernichtet.

00:26:19: und also muss ich... vorsichtig sein.

00:26:24: Das hat mich auch bei diesem Textbeispiel sehr verwundert, dass sie aber gleichzeitig offen über die Sensor kann schreiben.

00:26:33: Also, dass das nicht etwas ist, das man einfach still muss haben, sondern dass sie das eigentlich transparent machen

00:26:38: kann.

00:26:38: Das macht sie transparent.

00:26:41: Offenbar war das dann eben nicht so gefährlich.

00:26:45: Oder vielleicht war es sogar... auch in der Strategie zu sagen, wir lesen alles mit.

00:26:53: Das soll auch jeder wissen, weil dann sind auch alle vorsichtig.

00:26:58: Also das ist ja durchaus kann das ja auch eine Taktik sein.

00:27:02: Es gibt dann in dieser Zeit drei Phasen, kann man glaube ich sagen.

00:27:07: Die erste Phase ist so, und der entsteht auch, es ist auch dieser Brief, dass sie versucht sich sozusagen an ihrer Haft zu gewöhnen.

00:27:17: Ja, dass sie sozusagen wie sich selber und ihrer Mutter immer wieder sagt, es ist alles nicht so schlimm.

00:27:25: Es ist so ein bisschen wie das Pfeifen im Wald.

00:27:26: Nein, der Wolf kommt nicht.

00:27:27: Nein, der Wolf kommt nicht.

00:27:29: Also ist sozusagen wie sich selbst beruhigen und sich zu gewöhnen an etwas gegen das man sich natürlich innerlich wehrt und innerlich... Was mache ich hier?

00:27:40: Alleine in dieser Einzelhaft.

00:27:42: Die Zelle war klein.

00:27:44: Es gab nur einen Fenster weit oben, wo man sozusagen rausgucken konnte.

00:27:49: Hören wir gleich auch noch mal.

00:27:50: Ja, vielleicht kannst du das gerade, wenn wir gerade da sind, kannst du das noch mal kurz lesen.

00:27:56: Das ist auch sehr eindrücklich.

00:27:57: Der Brief ist ungefähr ein Monat später.

00:27:59: dann, am zwanzigsten Dezember, neunzehntreiunddreißig.

00:28:04: Liebe Mama.

00:28:05: Seit Montag ist es viel wärmer, es hat geregnet und eine völlig deroutierte Amsel hat gestern zu singen angefangen.

00:28:14: Ich habe seit November die Sonne nicht gesehen, weil sie über die gegenüberliegenden Gebäude nicht mehr hinweg scheint.

00:28:21: In die Zelle kommt sie daher nicht und wenn ich Spaziergang habe, ist sie noch nicht da, acht bis acht Uhr dreißig.

00:28:29: Am Anfang war ich richtig betrübt, jetzt ist mir auch das gleichgültig.

00:28:33: Ich verkrieche mich mit sämtlichen Gefühlen in mein Schneckenhaus.

00:28:37: Sie könnten sonst erfrieren, denn die Gefängnestemperatur ist noch viel tiefer als die Luft.

00:28:43: Aber jetzt, wo ich mich darauf eingerichtet und mich daran gewöhnt habe, macht es mir gar nichts mehr.

00:28:50: Weihnachtlich zumute ist es mir nicht, da ich kein sehr deutliches Gefühl für Zeit habe.

00:28:54: Es könnte genauso gut erst November oder schon Januar sein.

00:28:58: Herzliche Grüße an alle und gute Wünsche zu Weihnachten und Neujahr, Lilly.

00:29:04: Ja, danke vielmals für das wunderschöne Vorlesen, was ich sehr spannend finde an diesen Beriefen ist, dass wir wissen ja, wie es weitergeht.

00:29:17: Und sie hat das zu diesem Zeitpunkt ja nicht gewusst.

00:29:19: Sie hat nicht gewusst, wie lange es in diesem Gefängnis wird sein.

00:29:22: Und es tönt für mich jetzt fast ein wenig, wie du gesagt hast, so zu diesem Zeitpunkt fast ein wenig gleichgültig.

00:29:31: obwohl es ja eigentlich sehr bedrückend die Situation ist.

00:29:36: Aber es ist sozusagen eine Gleichgültigkeit, die man sich auch einredet.

00:29:40: Eigentlich geht es mir nicht so schlecht.

00:29:42: Eigentlich sind meine Rückenschmerzen gar nicht so schlimm.

00:29:44: Ich kann mich zwar nicht bewegen, aber es ist sozusagen wie sich selber Mut machen auch.

00:29:51: In dieser Phase kommt das in vielen Briefen immer wieder raus.

00:29:55: Dann gibt es eine zweite Phase, die fängt so im Januar, April und Mai, wo man merkt, es geht ja immer schlechter.

00:30:06: Wo sie immer wieder davon redet.

00:30:09: Ich weiß nicht, wie lange es noch dauert, bis mein Prozess dann wirklich beginnt.

00:30:12: Sie hatte keine Ahnung.

00:30:13: Sie sind immer noch in der Voruntersuchung.

00:30:15: Der Prozess war noch in weiter Ferne.

00:30:18: Es gab keine Informationen auch für den Anwalt, den Sie hatten.

00:30:22: Der konnte Ihnen auch nicht sagen, wie es da weitergeht.

00:30:28: Die Behörden haben das ziemlich verschleppt, auch ein wenig.

00:30:31: Sie haben krampfhaft nach einem nach einer Anklage gesucht, die sie nicht finden konnten in den Dokumenten, die sie bei den beiden gefunden haben.

00:30:44: Offenbar war das mit der Spironiererei doch nicht so schlimm oder so gravierend, wie ihnen vorgeworfen worden ist.

00:30:55: Und in dieser Zeit wird es so dringlicher, dass sie sagt, man merkt, sie wird auch krank.

00:31:03: Blutarmut, sie hat auch Depressionen, die sie auch selber schreibt.

00:31:09: Ich weiß auch nicht weiter.

00:31:11: Was ihr die ganze Zeit hilft, ist etwas, was auch so verrückt ist, auch so ein Detail.

00:31:18: Sie hat gestrickt.

00:31:19: Sie hat die ganze Zeit überhat sie gestrickt.

00:31:23: Und zwar im Auftrag einer Berliner Modefirma, die offenbar mit mit dem Untersuchungsgefängnis ein Deal hatte, dass die weiblichen Häftlänge für sie stricken, Pullover stricken.

00:31:37: Und sie erzählt auch immer wieder, ihrer Mutter, was sie jetzt gerade wieder gestrickt hat und dass sie immer wahnsinnig gelobt wird, dafür, dass sie so gut stricken kann von der Beauftragten der Modelfirma.

00:31:51: Also das ist etwas, was sie sozusagen wie auch... Ja, buchstäblich am Leben erhält.

00:31:57: Also ihr auch Sinn gibt.

00:31:59: Das hätte

00:31:59: ich jetzt gerade fragen wollen.

00:32:00: In einer Isolationshaft, man weiss nicht, wo es hingeht, ist genau das Stricken für sie vielleicht auch so ein bisschen ein Rettungsangang.

00:32:08: Absolut, dass es durchsteht.

00:32:09: Absolut, absolut.

00:32:11: Also ein bisschen dazu, dass sie ihrer Mutter genau das Strickmuster aufzählt, wann, welche Masche, wohin sie muss, damit der Polo so toll wird, wie sie ihn gestrickt hat.

00:32:22: Das ist schon auch... auch lustig bis zu hören müssen gerade.

00:32:26: Und dann gibt es die dritte Phase, wo man merkt, ihr geht der Optimismus komplett aus.

00:32:34: Also, sie kommt in eine Phase rein und sagt, ja, eigentlich ist mir alles egal.

00:32:39: Ich weiß auch gar nicht mehr, wie man mit Leuten spricht in einer Einzelhaft.

00:32:43: Meine Manieren, meine Tischmanieren sind auf den Hund gekommen.

00:32:48: Also, man merkt, es geht ans Eingemacht.

00:32:50: bei ihr.

00:32:51: Es gibt dann noch eine kleine Phase, wo sie eine vierwöchige Phase, wo sie eine Mitheftlinge bei sich in der Zelle hat.

00:33:03: Aber es geht wirklich, geht ans Eingemacht bei ihr.

00:33:06: Und auch die Frage, ja, wann ist denn jetzt das Verfahren, wann ist denn jetzt der Prozess, wurde für sie immer dringlicher.

00:33:16: Und dann von einem Schlag auf den anderen, Ohne dass sie das Feuer wusste, dass ihr das angekündigt worden ist, sie hatte keine Informationen, kriegt sie am sechsten Oktober, und dann wird sie in den Schreiben entlassen.

00:33:32: Sie werden aus Deutschland ausgewiesen und zurück in die Schweiz.

00:33:36: Und das bringt uns zu dem Handlungsstrang, wo parallel läuft, nämlich ihren Vater.

00:33:43: Das wurde auch angekündigt, als ihre Vater hat alle offiziellen und inoffiziellen Hebel in Bewegung gesetzt, um sie aus dem Gefängnis zu bekommen.

00:33:55: Ja, er hat die Mitteilung gekriegt, dass sie inhaftiert ist, hat dann sozusagen mit dem politischen Departement Kontakt aufgenommen.

00:34:04: Das ist das, was heute das EDA ist, also das Außendepartement.

00:34:10: Und hat dort auch direkt mit Bundesrat Motta Kontakt aufgenommen und gesagt, die Schweizer Behörden mögen sich doch bitte für seine Tochter einsetzen.

00:34:20: Woraufhin dann das politische Departement wiederum mit der Gesellschaft Kontakt aufgenommen hat und gesagt, ihr müsst da jetzt mal was machen.

00:34:29: Und die gesagt haben, ja, aber wir können nichts alles machen.

00:34:32: Die Deutschen sind auch nicht so gut organisiert.

00:34:34: Wir wissen gar nicht an wen wir uns jetzt eigentlich wenden sollen.

00:34:38: Das ist nur... Entschuldigung, ich finde das noch erst stundlich.

00:34:41: Man stellt sich ja den Nationalsozialismus in Deutschland als eine stram organisierte, türeorganisierte Organisation vor.

00:34:50: Und das klingt jetzt so bei der Macht übernahm, wie viele Sachen noch neu sind.

00:34:56: Es sind völlig neu.

00:34:57: Das ist auch etwas, was man, wenn man sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt, eigentlich ab.

00:35:02: erst ab die Fünfte der Jahre war es das System.

00:35:08: von dem wir immer reden.

00:35:09: Bis dahin gab es viele Parallelstrukturen.

00:35:12: Also es gab mindestens zwei bis drei Polizeibehörden, die parallel gearbeitet haben, die zum Teil gegeneinander gearbeitet haben.

00:35:20: Der Justizapparat war natürlich noch der Apparat aus der Weimarer Republik.

00:35:25: Da müssten die Leute natürlich erst mal ersetzt werden durch Strandmann Nationalsozialisten.

00:35:30: Es gab in dieser Phase sehr viel Chaos.

00:35:33: Aber auch ein Chaos, was die Nazis genutzt haben.

00:35:36: Sie haben dieses Chaos, also ich will das jetzt nicht vergleichen, aber wir kommen dann auf den aktuellen Punkt.

00:35:41: Also das, was der Trump im Moment gerade macht, indem er sozusagen wie anfängt Behörden zu schließen, Leute zu entlassen.

00:35:49: Das ist sozusagen wie ein Disruptiv, wie man es so schön nennt.

00:35:53: Also es ist sozusagen wie ein Bulldozer durch ein System durchfahren.

00:35:59: um sozusagen das eigene System aufzubauen, die eigenen Leute zu platzieren, dort, wo man sie braucht.

00:36:05: Und das dauert natürlich.

00:36:07: Das dauert natürlich.

00:36:08: Und das hat auch bei den Nazis gedauert, bis zu thirty-five.

00:36:11: Und bis dahin gab es immer wieder auch widersprechende, auch Konkurrenz innerhalb der NSDAP.

00:36:18: Wer war jetzt näher an Adolf Hitler dran?

00:36:21: Wer war weiter weg von ihm?

00:36:24: thirty-four war der Römputsch im Juni.

00:36:27: wo die gesamte SA sozusagen zerschlagen worden ist, so wie sie bisher bestanden.

00:36:32: Also da war viel Chaos unter dem Dach.

00:36:35: Ich finde, also vergleichen kann man so schon, vielleicht nicht gerade gleich setzen.

00:36:39: Und vergleichen können wir auch von den Schweizer Behörden machen.

00:36:43: Also vielleicht ist es so dann auch ein Stück weit wie einfach die Haltung auch von den Behörden, dass sie eben mit dem Chaos gerade nicht können oder wollen umgehen.

00:36:53: Was da sehr deutlich wird in diesem Schriftwechsel?

00:36:57: ist das Lavieren.

00:37:00: Das Lavieren zwischen einerseits müssen wir uns einsetzen für unsere Landsform.

00:37:05: Leider ist die Kommunistin, was wir natürlich überhaupt nicht gut finden.

00:37:08: Aber sie ist nun mal Schweizerin, da müssen wir uns darum kümmern.

00:37:13: Und andererseits aber so der Versuch, möglichst den neuen Machthabern in Deutschland nicht zu nahe zu treten, vorsichtig zu sein, also so ein bisschen wie auf Eiern gehen, was Was können wir tun?

00:37:27: Wo müssen wir aufpassen, dass wir sie nicht verärgern?

00:37:30: Und das kommt in einer Episode besonders deutlich zum Tragen.

00:37:33: Also ich habe ja geschrieben, der Vater setzt alle legalen und illegalen oder ... Inoffiziellen.

00:37:42: Inoffiziellen und inoffiziellen.

00:37:44: Er nimmt Kontakt auf über nachbarschaftliche Verbindungen zu dem CEO, dem damaligen CEO, hat man es noch nicht genannt, aber dem Chef von Heulerbank, der wiederum mit jemand aus der Reinhard-Familie in Winterthur verheiratet war.

00:38:01: und über diese Reinhard-Familie, die auch einen deutschen Zweig hatte, hat er Kontakt aufgenommen mit einem Brief zu Rudolf Hess.

00:38:09: Das war

00:38:10: der zweite Mann hinter dem

00:38:13: stellvertreter des Führers.

00:38:16: Und das hat er dann auch irgendwann mal, das war seine persönliche Initiative.

00:38:21: Und das hat er dann den Behörden mitgeteilt und die waren natürlich zunächst mal überhaupt nicht zufrieden, also nicht glücklich, weil sie sagten erstens, warum wussten wir davon nix?

00:38:32: Und zweitens, das könnte auch nach hinten losgehen, wenn sich der Hess einmischt in ein Prozess, der gar nix mit seinem Ressort zu tun hat, könnten die Justizbehörden sagen, nö.

00:38:43: und trotzdem reagieren gewissermaßen und sagen, wir lassen uns überhaupt nicht da reinreden.

00:38:49: und selbst wenn es der Chefvertreter von Adi ist, das war sozusagen wie die Erwägung, die das politische Departement hat zweifeln lassen an diesem Kontakt.

00:39:04: Fakt ist, dass Wohl tatsächlich, das geht aus den Akten hervor, hässig mit der Frage beschäftigt hat, warum ist die Aargauerin Leli Glarner in Gestapohaft.

00:39:18: Also er hat sich wirklich damit auseinandersetzt.

00:39:20: Vielleicht noch als klein biografischen Hintergrund.

00:39:24: Rudolf Heß, was kein Mensch weiß, ist Viertelschweizer.

00:39:28: Also eines seiner beiden Großmütter war Schweizerin.

00:39:31: Und er hat in Zürich an der ETH studiert und hat zu der Zeit auch einen Besuch von Adolf Hitler in der Schweiz organisiert.

00:39:44: und Adolf Hitler hat an der Goldküste einen Vortrag gehalten vor vierzig Wirtschaftsleuten, Chefs von großen Firmen, um sein Projekt vorzustellen und um Geld zu sammeln.

00:40:00: Unter anderem eine Familie Wille.

00:40:02: Unter anderem Familie Wille.

00:40:04: Die hatten sie sogar empfangen, bei denen hat er den Vortrag gehalten.

00:40:09: um jetzt wieder auf Lili Glarne zurückzukommen.

00:40:13: Sie ist schon dann frei gekommen und ihr Stück handelt ja von diesen Beriefen und von der Zeit in der Haft, von den Bedingungen, auch sie als Person, wie sie damit umgeht.

00:40:26: Und wir müssen jetzt aber die Geschichte schon noch fertig erzählen, oder wird sie, sei es nicht, mich mega wundert, was ist dann passiert, nachdem sie aus der Haft entlassen wurde.

00:40:37: Dazu muss man sagen, dass der Vater von Lili Gelauner dann nach ihrer Freilassung Dankesbriefe geschrieben hat, an die politischen Böden, an Mota, an das politische Departement, an die Gesellschaft.

00:40:50: Und darin geschrieben hat, ja, vielleicht hat die Hafterfahrung meiner Tochter ja auch etwas Gutes, nämlich, dass sie dem Kommunismus abschwört.

00:41:02: was natürlich erst mal schon ziemlich heftig

00:41:04: ist.

00:41:05: Wenn das alle R-Ziegsmaßnahmen so zieht, da ist er dir.

00:41:08: Ja, für eine twenty-fünfjährige Frau, die er selber als hochintelligent beschreibt und gleichzeitig sagt, ja, sie ist von bösen, bösen Männern und Kommunisten verführt worden, der Partei beizutreten.

00:41:21: Also, es ist schon ein sehr merkwürdiges Bild, was er davon seiner Tochter zeichnet.

00:41:25: Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, er hat sich wirklich... extrem eingesetzt für sie, damit sie freigekommen.

00:41:30: Also das ist nicht schwarz-weiß, das ist sehr viel grau und sehr viel Farbigkeit da drin.

00:41:36: Sie ist dann freigekommen und einerseits ist sie Zeit ihres Lebens danach in Aarau geblieben.

00:41:45: Zeitweise in Wildeck gelebt, aber dann in Aarau gelegen.

00:41:49: Aber von ihrem politischen Überzeugung ist sie kein Deut abgerückt.

00:41:54: Sie hat dann nämlich geheiratet ihren Genossen, den sie kannte aus der magsistischen Studentengruppe Helmut Schokke, den sie auch schon von der Kantikante, er war ein Jahr über ihr, ist also sozusagen in Ahrau verwurzelt geblieben, aber eben Helmut Schokke geheiratet, der wiederum selber politisch aktiv war.

00:42:17: unter anderem hat er Agauer Spanienkämpfern, also die dann auf der Seite der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft hat, quasi die Kontakte vermittelt, also hat das organisiert, ist dafür auch zehn Monate in Haftiert gewesen, in Lenzburg.

00:42:37: Und sie haben dann zwischen neununddreißig und neunundvierzig sechs Kinder bekommen.

00:42:45: Und Helmut Schocke.

00:42:48: war eigentlich Germanist und hätte gerne als Lehrer gearbeitet, ist aber wegen seiner, seine Dissertation, ist wegen seiner Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei abgelehnt worden, er ist exmatriuliert worden, er konnte dann nicht als Lehrer arbeiten.

00:43:07: Er hat dann das Optikergeschäft seines Onkels übernommen, in der Casino Straße, hier um die Ecke, wobei das überhaupt nicht gut lief, weil Wer lässt sich schon von einem Kommunisten die Brille machen?

00:43:21: Könnte ja sein, dass man dann rot sieht.

00:43:25: Das war für die beiden eine schwierige Situation.

00:43:28: Sie hat dann gearbeitet für die RUNA.

00:43:32: Die RUNA ist die Rundfunk- und Nachrichtenagentur.

00:43:37: Die der kominteren, also die Auslandsorganisation der KPDSU, in Europa eingerichtet hat und Zürich war eine zeitlang eine Drehscheibe für die Aktivitäten des Kommentären in Europa.

00:43:51: Das heißt, sie ist in keinster Weise von ihren politischen Überzeugungen abgerückt.

00:43:56: Sie hat dann natürlich ihre Kinder großgezogen, sie hat aber auch immer wieder als als als die Kriterin gearbeitet, sie hat die Familie eigentlich durchgebracht, weil das mit der mit dem Optiker-Geschichte das hat echt nicht funktioniert.

00:44:11: Und es gibt dann auch eine Episode, die zeigt, wie ja auch überzeugt Lili Glana vom Kommunismus war, auch vom Sozialismus, wie er praktiziert worden ist.

00:44:26: Da hat er in der Ungarn aufstand, also die das ungerische Bevölkerung wendet sich gegen den Stalinismus, versucht sozusagen einen demokratischen Sozialismus aufzubauen.

00:44:38: die das sowjetische Militär marschiert ein und schlägt diesen Aufstand nieder.

00:44:42: Daraufhin kommt es zu einer Flüchtlingswelle.

00:44:44: Sehr viele Ungarn auch in die Schweiz.

00:44:47: Und da gab es an den Schulen offenbar sozusagen wie Initiativen.

00:44:51: Wir müssen den Flüchtlingen helfen.

00:44:53: Und da kommt wieder das Motiv des Strickens.

00:44:56: Sie sind dann aufgefordert worden, Strümpfe zu stricken für die ungerischen Flüchtlinge.

00:45:00: Und natürlich auch dann die Töchter von Lilligana.

00:45:04: Und Lilligana hat es ihnen verboten.

00:45:07: Und hat gesagt, nein, das sind alles Konterrevolutionäre.

00:45:12: Die wollten den Sozialismus verraten.

00:45:14: Also für die strikt ihr nicht.

00:45:16: Was Töch dann dann Riesenprobleme gemacht hat in der Betz.

00:45:20: Die wurden dann vor den Direktor zitiert.

00:45:22: Und warum?

00:45:23: Ja, unsere Mutter hat das verboten.

00:45:26: Und da ist so die Frage, habe ich mich gefragt.

00:45:28: Sie wussten, was in der Sowjetunung passiert war.

00:45:31: Sie wussten von den Gulags.

00:45:34: Sie wussten von den... hunderttausenden von Toten, die in dem Stalinismus zum Opfer gefallen sind.

00:45:41: Was ist es, was einen dann immer noch daran festhalten lässt?

00:45:46: Ja, was ist deine Antwort?

00:45:48: Also ich finde das auch schwer nachvollziehbar, weil als junge Frau könnte man sagen, sie ist idealistisch, sie will ausbrechen

00:45:55: vielleicht.

00:45:56: Also vielleicht ein bisschen küchenpsychologisch, ja.

00:45:59: Aber ich kann mir vorstellen, dass sie sagt, wenn ich von meiner politischen Überzeugung ab Brücke.

00:46:09: Dann haben diejenigen, die mich damals verhaftet haben, dann haben die Nazis recht bekommen.

00:46:15: Und das kann ich vor mir selber nicht vertreten.

00:46:20: Das ist, glaube ich, wie auch eine Reaktion auf Erfahrungen.

00:46:26: Man muss dazu sagen, die Kinder wussten natürlich, dass sie inhaftiert war.

00:46:31: Das schon.

00:46:33: Aber sie wussten überhaupt nichts über die Umstände.

00:46:36: Und ihre Mutter hat mit ihren Töchtern nie darüber geredet.

00:46:41: Das heißt, sie hat das sozusagen nie auch verdrängt, weggeschoben.

00:46:45: Das ist sozusagen abgespalten, eine abgespalten Erfahrung.

00:46:51: Das ist die klassische Traumasituation, also sozusagen dieses Trauma der Hafterfahrung, was sicher eine große Rolle gespielt hat bei ihr.

00:47:01: Und nur so kann ich mir das eigentlich erklären.

00:47:06: Ich finde das so spannend an dieser Geschichte, dass ihr die Lilli Glarner als Person anschaut und bearbeitet euch im Stück.

00:47:17: Und wie du jetzt quasi auch gemacht hast, ihre individuelle Seite zu zeigen.

00:47:22: Man könnte jetzt auch sagen, sie ist quasi ein Kind ihrer Zeit.

00:47:26: Beispielsweise können wir behaupten, sie verfaltet eine sovietische Propaganda.

00:47:31: was durchaus auch plausibel ist.

00:47:33: Wir haben diese beiden Komponenten in dieser Geschichte.

00:47:36: Wir haben den Kontext von ihrem Umfeld.

00:47:39: Wir haben aber auch, was wir in ihren Briefen gesehen oder versucht, aussen zu lesen, ihre ganz persönliche Geschichte, die unter anderem mit Trauma hier in Verbindung gesetzt werden kann.

00:47:50: Ich weiss nicht, ob wir vielleicht jetzt schon zu dem kommen, wie wir die ganze Geschichte in einem Theaterstück umsetzen.

00:47:58: Also wir haben sie jetzt gehört.

00:48:00: Es ist eine sehr packende und spannende Geschichte.

00:48:04: Auch eine traurige Geschichte.

00:48:07: Und als Historikerinnen versuchen wir Sachen nachvollziehen.

00:48:13: Wieso machen Menschen etwas?

00:48:16: Sind sie Teil der Geschichte der Gesellschaft?

00:48:20: Sie sind aber auch individuell handelnde Personen.

00:48:23: Ihr macht noch etwas mehr, vor allem auch du, Natalie, wenn du die Texte von Lilli Glarner vorlässt.

00:48:29: Ihr versucht ja auch, herauszufinden, wie fühlt sich ein Person gerade?

00:48:34: Also ihr könnt die Gefühle quasi nachempfinden.

00:48:39: Auch, ja, auch.

00:48:40: Ich habe lange gedacht, okay, wie macht man das Spiel, dann jemand, die lili.

00:48:46: Also bauen wir sozusagen wie eine Gefängniszelle nach und tun so.

00:48:51: Und dann haben wir gesagt, nee, das geht nicht.

00:48:52: Das kann man nicht.

00:48:53: Man kommt an diese Erfahrung.

00:48:55: kommst du nicht ran, also die kannst du nicht bebildern, die kannst du nicht sozusagen verspielen.

00:49:01: Und wir haben uns dann entschieden, dass quasi die, wir eigentlich meine Geschichte erzählen.

00:49:07: Also, jetzt über, erstes soll man da nicht sehen.

00:49:11: Wirklich nicht, aber dass wir das Natalie, jemand spielt, der als junge Historikerin, die vielleicht im Studium auf diesen Stoff gestoßen ist sozusagen, sich damit auseinandersetzt.

00:49:25: Und sozusagen genau das, was du gerade gesagt hast.

00:49:29: Versucht, heranzukommen.

00:49:31: Wie fühlt sich das an?

00:49:33: Wie hat sie da reagiert?

00:49:34: Wo sind die Lehrstellen vor allem?

00:49:36: Auch in den Briefen.

00:49:37: Was hat sie nicht geschrieben?

00:49:40: Was konnte sie nicht schreiben?

00:49:41: Vor sich selber nicht, aber auch gegenüber dem Zens und nicht.

00:49:44: Auch, dass man die Mutter nicht beunruhigen wollte.

00:49:46: Dass man an diese Erfahrung rankommt, aber nicht, sozusagen, indem man es bebildert, sondern indem man jemanden seite, das versucht, heranzukommen.

00:49:56: Und du, wir haben jetzt zwei, drei Mal eine Leseproben gemacht und du hast Erfahrungen mit den Briefen gemacht.

00:50:02: Ja.

00:50:04: Und das ist

00:50:04: auch sehr spannend, finde ich, die Ebene von... Also eigentlich, weil es mehr gegangen ist, als ich diese Briefe zum ersten Mal gelesen habe, als Natali, so von einem sachlichen... Aha, was steht da?

00:50:19: Aha, spannend, weil ich nehmen wäre wie... Wo, was, wenn... und man wird immer mehr in den Zogen und immer mehr in den Zogen und auch je mehr Zeit voran schreitet, es gibt immer wieder gewisse Sätze, die mich beim Lesen einfach umhauen, weil sie so aktuell sind, also so menschlich allgemeingültig, Zustände, die sie beschreibt, die sie erlebt in den Zellen und ich in meinem Leben, wo ich kann, wo es so anders ist, komplett noch empfinden kann.

00:50:52: Das Spiel mit dem Versuchen, einen Überblick über die ganze Geschichte zu bekommen und gleichzeitig macht sie etwas mit einem, weil sie immer eigentlich in die Tüfe, dass ich gehe, um so aktueller und allgemein gültiger wird sie.

00:51:10: Irgendwie so.

00:51:11: Es geht mir im Moment und ich hoffe, dass wir das erzählen können.

00:51:15: Das ist

00:51:16: wunderbar beschrieben.

00:51:17: Das Erreichen ist toll.

00:51:19: Mich nimmt Donnerwunder, ist das ... Als Schauspielerin ist das gut oder innen schlecht, wenn ich es jetzt so plakativ sage, dass man sich quasi so viele Gedanken macht oder sich vielleicht fast schon identifiziert oder will identifizieren mit so einem Text.

00:51:37: Ich finde es super, weil es ist ja ganz klar, das sind ihre Worte, das ist ihre Zeit, in der sie lebt, ihre Zellen.

00:51:49: Und ich kann, wie du Peter vorher auch gesagt hast, ich kann ja unmöglich, weil ich das nie erlebt habe, wirklich nachempfinden, wie das war für sie.

00:52:00: Aber versuchen, einen Funken oder zwei, drei davon mitzubekommen.

00:52:07: Das ist mega spannend.

00:52:08: Und

00:52:08: natürlich den Publikum zu vermitteln.

00:52:11: Ich finde auch die Erfahrung, die du jetzt beschrieben hast, ich habe die auch gemacht.

00:52:16: Und ich finde, das ist genau das, was mir auch schon gegangen ist, mit historischen Dokumenten und Briefen arbeiten.

00:52:23: die jetzt mal einfach an eine Person geschrieben wurden.

00:52:25: Ihre Antworten hatte ich nicht.

00:52:28: Und es entwickelt sich langsam so ein Bild.

00:52:31: Es tauchen Nämme auf, wo einem vielleicht sehr schnell nichts zu sagen.

00:52:34: Mit der Zeit kann man die einordnen.

00:52:37: Und es wächst einem diese Person schon als Herz.

00:52:41: Auch mit einer kritischen Distanz natürlich.

00:52:44: Man macht sich ein Bild und es entsteht etwas.

00:52:48: Und so eine Figur wird lebendig.

00:52:50: Es ist so, das Ganze ist ein Puzzle.

00:52:52: Auch.

00:52:53: Es ist eine Art von Puzzle, was am Ende zwar nicht vollständig ist, aber man kann die Konturen erkennen.

00:53:00: Und in den Konturen kann man eine Beziehung dazu aufbauen.

00:53:04: Und das ist unser Ziel.

00:53:05: Also, dass das nicht komplett eins zu eins die ganze Geschichte durchdecliniert, aber eben auch doch so viel Stoff und so viel Leben bietet, dass man sozusagen dieses Bild dass man eine Dreidimensionalität kriegt, dass man anfängt, sich zu erkennen und das ganz großartig beschrieben hat.

00:53:29: Ich finde das auch schon ein schönes Schlusswort, fast etwas, das du vielleicht noch auflösen musst, Peter.

00:53:35: Du hast angefangen, die Geschichte, wo du auf die Handbuppe im Stadtmuseum kamst.

00:53:42: Wo kommen die Handbuppen ins Leben der Lily Glarner?

00:53:47: Wo entstehen die, die am Schluss uns noch heute ... Erhalte sind.

00:53:52: Also das ist so, dass der Helmut Schocker halt in seinem Optiker-Geschäft saß und die Kundschaft war rar und er angefangen hat dann für seine Kinder diese Handpuppen zu schnitzen.

00:54:08: Und die sind sehr eindrücklich, man kann sie sich auch anschauen.

00:54:11: Und in der Anfangszeit hat Lely auch die Kostüme geschneidert dafür.

00:54:17: Bei uns kommt sie in die Geschichte rein, weil es bei den Handpuppen gibt es eine Figur.

00:54:22: Ich habe gesagt, das sind auch politische Allegorien diese Figuren.

00:54:26: Es gibt Herrn Reich und Frau Reich, es gibt den Industriearbeiter, es gibt den Bauern, es gibt eine Figur, die heißt der Krieg.

00:54:34: Es gibt eine Figur, die heißt Frau Krise.

00:54:38: Und es gibt eine Figur, die eindeutig wiedererkennbar ist, die jeder kennt.

00:54:44: Und das ist Dölfi, ein schlimmer Hagel.

00:54:47: So heißt die Figur, so hat Helmut Schocker sie getauft, Arthur Fittler.

00:54:52: Und bei uns kommt sie ins Spiel, kommen die Figuren ins Spiel als eine Vision.

00:55:00: Also über Video.

00:55:02: Wir haben jetzt die Aufnahmen gemacht von den Puppen, von einem Teil der Puppen.

00:55:07: Die tauchen auf einmal auf, als Videoprojektion.

00:55:13: Weil sie so sagen, wie vielleicht noch mal eine Schicht in ihrem Erleben.

00:55:18: Sie sind spooky, sie sind auch ein bisschen so Horror-Clowns.

00:55:22: Und so kommen sie mit in die Inszenierung hinein.

00:55:28: Vielleicht müssen wir an dieser Stelle noch auf euch ein Stück zu sprechen kommen.

00:55:32: Irgend ein gescheiten Historiker, ich weiss nicht mehr, hat mal gesagt, das Geschichte zu schreiben.

00:55:37: auch immer ein bisschen fiktionisch.

00:55:39: Und gerade bei einem Theater kann man sich das vielleicht noch ein bisschen besser vorstellen.

00:55:44: Und ich freue mich auf jeden Fall sehr sehr fest, so eine spannende Geschichte in einem Theater zu vermitteln zu bekommen.

00:55:52: Wie heisst euch das Stück?

00:55:54: Wo kann man das sehen?

00:55:55: Wenn kann man es sehen?

00:55:56: Genau.

00:55:57: Das heisst aus der Zeit eine Spurensuche.

00:56:01: Und der Titel ist natürlich doppelteutig, weil aus der Zeit, das ist sozusagen aus der Geschichte.

00:56:07: Ist der Stoff genommen.

00:56:08: Er heißt aber auch aus der Zeit, weil sie fällt aus der Zeit während der Haft, also während der fünfzehn Monate fällt sie gewissermaßen

00:56:16: aus

00:56:17: ihrer Zeit heraus.

00:56:19: Und Spurensuche ist sozusagen das, was wir gemacht haben.

00:56:23: Die Premiere ist, wie gesagt, am sechzehnten Dezember.

00:56:28: Dann spielen wir es nach zweimal in Aarau, am siebzehn und achtzehnten.

00:56:33: Und dann gehen wir nach Baden.

00:56:35: Zitig, Theater im Garnos, der erst im Februar im März.

00:56:40: Und dann kommt das nochmal nach Bern, da gehört es ja auch hin, Bundesbergen, ins Tojo in der Reitschule.

00:56:49: Das heisst, alle, die jetzt richtig lustig geworden sind und vor allem nicht nur den Hintergrund, sondern auch wirklich die Umsetzung, wenn sie mit Natali im Boden gesehen haben, sollen sich unbedingt um die Tickets... Kümmer Manuel, ich habe schon die Tickets.

00:57:05: Du auch.

00:57:07: Wir freuen uns auf die Premiere und würden auch Zeit bedenken.

00:57:13: Unsere Folgen an dieser Stelle beenden mit einem großen Dankeschön an Peter und Natalie, dass sie sich diese Zeit genommen haben.

00:57:21: Heute zu uns ins Studio kommen und uns einmal eine Geschichte zu erzählen.

00:57:25: Das war einmal eine neue Erfahrung für uns.

00:57:27: Vielen Dank euch, ich finde es super, was ihr macht mit dem Podcast.

00:57:31: Ich habe so verschiedene Erfolgen reingehört und es ist wirklich großartig.

00:57:35: Danke schön.

00:57:36: Von meiner Seite, danke vielmals, es war spannend.

00:57:39: Danke vielmals.

00:57:40: Und wenn ihr noch mehr von uns möchte hören, dann schaut ein auf uns im Instagram-Kanal, Geschichten aus Aarau Podcast.

00:57:47: Wenn ihr uns ein Mail schreibt, für irgendwelche Rückmeldungen zu unserem Podcast, könnt ihr das machen.

00:57:53: Und geschichten.aus.arau.atgmail.com.

00:57:58: Um mir zu abschütteln und zu hören uns im Monat wieder.

00:58:02: Danke fürs Zuhören und tschüss miteinander.

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